Da ich ein sperriges Wort wählen soll, entscheide ich mich für dasjenige, das meine Stellung kennzeichnet : »Künstler« Es ist ein wenig peinlich, das Wort als “Künstler” zu verwenden, als ob man jemanden damit adeln wollte. Kunst sollte doch das angestrebte Ziel aller Berufe und aller Arbeitsverhältnisse sein, die Norm also und nicht das Privileg einiger weniger, so als würden Künstler eine eigene Kaste bilden: die der hochempfindsamen Talente. Ich kenne einen Lehrer, einen Juristen und einen Kneipenwirt, die in weitaus größerem Maße Künstler sind als die meisten Künstler im eigentlichen Sinne; sie sind erfüllt von Leidenschaft für ihr Metier, welches sie mit großer Ernsthaftigkeit und ungewöhnlicher Sensibilität ausüben; dies sind die wahren Künstler, ohne Brimborium und ohne Überheblichkeit. Dieses Wort gehört aus seinem goldenen Kä!g befreit. Für sich genommen ist es kein sperriges Wort, es wird
erst sperrig durch seine Verwendung; gewöhnlich wird es benutzt, um einige wenige Personen – willkürlich und ungerechtfertigt – hervorzuheben, während alle anderen im Schatten bleiben. Manchmal ist es die Aufgabe des Schriftstellers, für die Wörter zu kämpfen. Sie sind sein Stoff und er muss sie verteidigen, gegen irreführenden
Gebrauch, gegen Schematisierung und auch gegen Missverständnisse. Die Wörter selbst sind unschuldig. Wer von einem Wort behauptet, es sei sperrig, der macht es zum Sündenbock. Allerdings macht man es sich damit etwas zu leicht. Wenn etwas sperrig ist, dann sind wir es.
Martin Page